Keyfindings IV-ZukunftsMonitor
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Gesellschaft
Wohin geht die Gesellschaft? Um diese Frage beantworten zu können, betrachten wir die Ergebnisse zweier Dimensionen des IV-ZukunftsMonitors genauer: Gesellschaftlicher Zusammenhalt und Lebensqualität. Die detaillierten Ergebnisse finden sich unter Themen.
Die wichtigsten Ergebnisse in Kurzform:
Das gut gefestigte Wertesystem reagiert auf die Covid-19-Pandemie
Der respektvolle Umgang miteinander sowie die persönliche Freiheit sind jene beiden gesellschaftlichen Werte, denen die Menschen in Österreich die größte Bedeutung beimessen – im Jahr 2020 genauso wie bereits 2019 (vgl. Abbildung 6). Und doch hat sich etwas geändert: Respekt im Umgang miteinander hat zwar noch immer die Top-Position inne (äußerst wichtig: 64 %), aber mit etwas geringerem Gewicht (2019: 67 %).
2020 steht im Bann der Covid-19-Pandemie, was sich daran zeigt, dass genau jene Werte an Bedeutung gewonnen haben, die derzeit als essentiell angesehen werden: im Kampf gegen das Corona-Virus, für den Schutz der Risikogruppen sowie zur Aufrechterhaltung der existenz- und lebenssichernden Institutionen. Das sind Eigenverantwortung (äußerst wichtig: 52 %), Chancengerechtigkeit und Fairness (51 %), Solidarität (39 %), Leistungsbereitschaft (33 %) und – indirekt, weil ein Lockdown zum Nachdenken anregt – Selbstverwirklichung (31 %). Andere Werte blieben von der Corona-Krise unberührt: persönliche Freiheit (62 %), Gleichberechtigung von Frauen (51 %), Offenheit und Toleranz (41 %) sowie der nach wie vor vergleichsweise bedeutungslose materielle Wohlstand (13 %). Doch weder die politischen Geschehnisse des Jahres 2019 noch die Pandemie konnten das offensichtlich gut gefestigte Wertegefüge der in Österreich lebenden Menschen erschüttern: Die hohen Zustimmungsraten und die Reihenfolge der Nennungen sind stabil.
Die Corona-Krise im Blickpunkt
Der soziale Zusammenhalt am Prüfstand
Die Frage, ob die Corona-Krise den sozialen Zusammenhalt in der Gesellschaft stärkt, spaltet Österreich. Die größte Gruppe ist diesbezüglich unsicher (36 %), die zweitgrößte kann kein Zusammenrücken erkennen (32 %) und nur die vergleichsweise kleinste sieht mehr Verbundenheit (29 %). Ganz ähnlich sieht es auf der persönlichen Ebene aus: 29 Prozent setzen Vertrauen in ihre Mitmenschen, ebenso viele meinen, dass man im zwischenmenschlichen Kontakt vorsichtig sein sollte, und 41 Prozent sind da indifferent. Hier lässt sich eine positive Tendenz ablesen, denn das explizite Misstrauen hat seit 2019 deutlich abgenommen (29 %) – möglicherweise das Ergebnis guter Erfahrungen in der Krise.
Familie, Freizeit und Freundeskreis stehen an erster Stelle
Das Private ist den Menschen in Österreich das Wichtigste im Leben. Die Familie steht dabei im Vordergrund, sie ist drei Viertel der Befragten sehr wichtig und 19 Prozent ziemlich wichtig. In Summe ergibt das 94 Prozent. Die Freizeit sowie der Freundes- und Bekanntenkreis erreichen ebensolche Spitzenwerte, die Gewichtung ist aber anders, denn bei den Sehr-Wichtig-Stimmen liegen diese beiden Lebensbereiche deutlich hinter der Familie (59 bzw. 53 %).
An prominenter zweiter Stelle im Prioritätensystem der Menschen in Österreich folgt ein Themenfeld, das rund um das Erwerbsleben angesiedelt ist: Bildung und lebenslanges Lernen sowie Arbeit sind rund einem Drittel, die Wirtschaft einem Viertel sehr wichtig.
Im Vergleich dazu fällt die Politik stark ab, erreicht aber in Summe doch einen Wert über 50 Prozent (58 %). Die Religion hingegen hat kaum Bedeutung: Nicht einmal einem Drittel ist sie sehr oder ziemlich wichtig (31 %) (vgl. Abbildung 4).

Die große Bedeutung der sozialen Kontakte zeigt sich auch daran, dass sich 83 Prozent der Menschen darauf verlassen, im Notfall Hilfe aus ihrem Umfeld zu erhalten (vgl. Abbildung 5). Die gute Nachricht (insbesondere in Pandemie-Zeiten): Die Ältesten können überdurchschnittlich häufig auf ein soziales Netz zurückgreifen (91 %). Die weniger gute Nachricht: Wer ein sehr niedriges Haushaltseinkommen hat, rechnet deutlich seltener mit Unterstützung in Notsituationen (< 1.600 Euro netto monatlich: 74 %) als der Durchschnitt oder gar die Spitzenverdienenden (> 4.000 Euro monatlich: 92 %).

Unverändert hohe Sensibilität für soziale Ungerechtigkeit
Gerade einmal 13 Prozent der Menschen empfinden die sozialen Unterschiede in Österreich als gerecht, nur 22 Prozent sehen gleiche Chancen für alle. Die Mehrheit hingegen stuft die Gesellschaft als ungerecht (55 %) ein und erkennt Hürden für den sozialen Aufstieg (49 %). Etwas weniger sensibel sind diesbezüglich die Jüngsten der Generation 30minus (keine soziale Gerechtigkeit: 44 %, ungleiche Chancenverteilung: 40 %), die gut Gebildeten mit mindestens Matura-Abschluss (50 bzw. 42 %) sowie die Bezieherinnen und Bezieher sehr hoher Einkommen (48 bzw. 41 %).
Lebenszufriedenheit deutlich gesunken
Die Menschen sind mit ihrer Lebenssituation insgesamt viel weniger zufrieden als 2019, das ist eines der auffälligsten Ergebnisse des IV-ZukunftsMonitors 2020 (vgl. Abbildung 15). Der Anteil der Zufriedenen ist von 73 auf 65 Prozent gesunken. Auf der anderen Seite gibt es deutlich mehr explizit Unzufriedene. Aktuell macht ihr Anteil 15 Prozent aus, im Jahr davor belief er sich nur auf zehn Prozent. Am meisten gelitten hat die Lebenszufriedenheit der Menschen mit niedrigem Haushaltseinkommen (< 2.500 Euro netto monatlich), der Generation 30minus sowie – in etwas geringerem Ausmaß – auch der schlecht Qualifizierten und der 30- bis 39-Jährigen.
Die Corona-Krise im Blickpunkt
Die Corona-Krise trifft jene hart, die es schon vorher schwer hatten
Blickt man auf jene Befragten, die über sich selbst sagen, dass die Corona-Krise sie härter trifft als andere, findet man einige jener Gruppen wieder, deren Lebenszufriedenheit im vergangenen Jahr besonders stark zurückgegangen ist: vor allem die Bezieherinnen und Bezieher niedrigster Einkommen (< 1.600 Euro netto monatlich), die zu 36 Prozent meinen, von der Krise überdurchschnittlich hart getroffen zu sein (Österreich gesamt: 20 %), dann die schlecht Qualifizierten, die lediglich einen Pflichtschulabschluss haben (26 %), aber auch die 30- bis 39-Jährigen (23 %). Dies ist ein klarer Hinweis dafür, dass die Corona-Krise eine Rolle für den Rückgang der Lebenszufriedenheit in Österreich gespielt hat, vor allem bei jenen, die schon davor sozial schlechter gestellt gewesen sind und die Krise daher weniger gut abfedern können, etwa durch Rückgriff auf bestehende Ressourcen und Ersparnisse.
Zufriedenheit mit Familie und sozialen Kontakten leidet am meisten
Auch die einzelnen Lebensbereiche genießen nicht mehr die hohen Zufriedenheitswerte des Vorjahrs vgl. Abbildung 17). Am meisten verloren hat der Spitzenreiter, die familiäre Situation. Der Anteil der diesbezüglich Zufriedenen sank von 76 auf 66 Prozent, besonders stark bei den jüngeren Menschen. Ebenfalls deutlich ist die Zufriedenheit mit den sozialen Kontakten im Freundes- und Bekanntenkreis gefallen, von 72 auf 63 Prozent. Speziell betroffen sind wieder die Allerjüngsten und diesmal auch die Menschen mit den geringsten Haushaltseinkommen (< 1.600 Euro netto monatlich: 50 %)
2019 waren 74 Prozent der in Österreich lebenden Menschen mit ihren Wohnverhältnissen zufrieden, 2020 nur noch 69 Prozent.
Der vierte Lebensbereich, bei dem die Zufriedenheit regelrecht eingebrochen ist, betrifft den aktuellen Bildungs- und Ausbildungsgrad. Der rasante Sinkflug von 67 auf 58 Prozent binnen eines Jahres weist jedoch darauf hin, dass es den Befragten wohl nicht nur um den eigenen Bildungsgrad, sondern auch die aktuelle Situation rund um Bildung und Ausbildung insgesamt gegangen ist. Die größten Verluste lassen sich wieder einmal bei den jüngeren Menschen feststellen.
Es liegt nahe, dass die Corona-Pandemie auch für diese Zufriedenheitseinbrüche eine Rolle spielt: die empfohlenen oder vorgeschriebenen Kontaktbeschränkungen, die langen Stunden in der Enge der eigenen vier Wände während des ersten Lockdowns oder die wochenlang geschlossenen bzw. auf Online-Unterricht umgestellten Schulen und höheren Bildungseinrichtungen. Auch mit anderen Lebensbereichen sind die Menschen weniger zufrieden als im vergangenen Jahr, aber die Differenzen sind vergleichsweise geringer: mit dem allgemeinen Gesundheitszustand (58 %), der hauptsächlichen Tätigkeit (59 %) und der finanziellen Situation des Haushalts (52 %).